Zuletzt aktualisiert am 9. Oktober 2022

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass LSD bei Hautkontakt bereits aufgenommen wird und man davon high werden könnte. Selbst wenn die transdermal aufgenomme Dosis, bedeutend gering wäre, spielt sie doch immerhin eine Rolle, wenn man Microdosing betreibt, zählt hier doch jede kleinste Einheit Mikrogramm.

Ich habe recherchiert, was dahinter steckt.

Ursprünge des Gerüchts

Der Ursprung des LSD-Mythos liegt wohl in der Entdeckung von LSD selbst begründet. So soll der Meister, Dr. Albert Hofmann, es selbst gewesen sein, der im Jahre 1943 LSD versehentlich über die Haut aufnahm und eine halluzinogene Wirkung verspürt haben soll. In seinem Buch „LSD – Mein Sorgenkind“ vermutete er Jahrzehnte später, die geringe Dosis LSD vermutlich über seine Fingerspitzen, und somit über die Haut, aufgenommen zu haben. Erst aufgrund dieses ungewöhnlichen Erlebnisses beschloss er sich LSD näher zu untersuchen und nahm drei Tage später eine stolze Dosis von 250ug im Selbstversuch zu sich und fuhr mit seinem Fahrrad nach Hause. Der Rest ist Geschichte.

Er fasste das Erlebnis wie folgt zusammen:¹

„… von einer bemerkenswerten Unruhe betroffen, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl. Zu Hause legte ich mich hin und versank in einen nicht unangenehmen rausch[-]ähnlichen Zustand, der durch eine extrem angeregte Phantasie gekennzeichnet war. In einem traumähnlichen Zustand, mit geschlossenen Augen (das Tageslicht empfand ich als unangenehm grell), nahm ich einen ununterbrochenen Strom phantastischer Bilder wahr, außergewöhnliche Formen mit intensivem, kaleidoskopischem Farbenspiel. Nach etwa zwei Stunden verblasste dieser Zustand.“

„… affected by a remarkable restlessness, combined with a slight dizziness. At home I lay down and sank into a not unpleasant intoxicated[-]like condition, characterized by an extremely stimulated imagination. In a dreamlike state, with eyes closed (I found the daylight to be unpleasantly glaring), I perceived an uninterrupted stream of fantastic pictures, extraordinary shapes with intense, kaleidoscopic play of colors. After some two hours this condition faded away.“

Bekanntes Bild von Albert Hoffmann

Das bekannte Bild von Albert Hoffmann auf seinem Fahrrad 1943.

Was passierte am 16. April 1943?

Alle Chemiker, über die ich gelesen oder gesproche haben, die LSD synthesieren, waren einstimmig der Meinung, dass sie niemals, jemals LSD über die Haut aufgenommen haben.

Von einem US-Amerikanischen Pharmakologen und medizinischem Chemiker, namens Dr. David E. Nichols, fand ich einen Text, der sich speziell auf Dr. Hofmann’s Erlebnis an jenem 16. April 1943 bezog, den ich oben erwähnt habe:

„Es ist bekannt, dass Albert Hofmann LSD ursprünglich im Jahr 1938 als Teil eines ehrgeizigen Programms zur Herstellung einer Reihe von Lysergamiden synthetisiert hat. LSD-25 war nur das 25. in der Reihe. Ich weiß eigentlich nicht, wie viele dieser Substanzen er hergestellt hat, aber nehmen wir an, dass er nur 30 hergestellt hat. Wir hatten also bis zu 30. in der Serie. Er hat eigentlich viel mehr gemacht, aber sagen wir einmal 30. Und sie wurden alle getestet; er schickte der pharmakologischen Abteilung LSD-25, 24, 23… und so weiter. Die sagen dann: „LSD-25: nicht interessant.“ Die Tests von damals lieferten wirklich nicht viele Informationen; sie waren sehr unausgereift. Aber fünf Jahre später, 1943, hat Albert eine Ahnung, dass die pharmakologische Abteilung bei diesem 25. Lysergamid in der Reihe etwas übersehen hat.

„It is known that Albert Hofmann originally synthesized LSD in 1938 as part of an ambitious program to make a number of lysergamides. LSD-25 was only the 25th in the series. I actually don’t know how many of those compounds he made, but let’s assume he only made 30. So we had up to 30 in the series. He made many more actually, but for now say 30. And they were all tested; he sent the pharmacology department LSD-25, 24, 23… and so forth. They then say, „LSD-25: not interesting.“ The assays of that day really didn’t provide much information; they were very unsophisticated. But five years later in 1943, Albert has a hunch that the pharmacology department missed something on this 25th lysergamide in the series.

Es ist bekannt, dass Albert Hofmann am 16. April 1943 versehentlich LSD eingenommen hat, aber hier wird es knifflig. Ich bin mir sicher, dass die meisten von Ihnen bereits wissen, dass, wenn Sie eine beliebige Menge LSD einnehmen, die Wirkung für 8-12 Stunden anhält, aber was Sie vielleicht nicht wissen, ist Albert Hofmanns Bericht über seine Erfahrung am 16. April. Hier spricht Albert Hofmann über sein Erlebnis am 16. April: „Ich nahm einen ununterbrochenen Strom fantastischer Bilder wahr, außergewöhnliche Formen mit intensivem, kaleidoskopischem Farbenspiel. Nach etwa ZWEI STUNDEN  verblasste dieser Zustand.“ (Hofmann, 1983). In Hofmanns Augen hatte er eine mikroskopische Menge LSD durch seine Fingerspitzen „absorbiert“. Es gibt jedoch ein großes Problem damit, denn weder ich noch irgendjemand, den ich kenne, hat in der Geschichte der Einnahme von LSD jemals ZWEI STUNDEN lang getrippt. Selbst eine Schwellendosis von 25 Mikrogramm lässt einen länger als 2 Stunden trippen.“

It is well known that on April 16, 1943, Albert Hofmann accidentally ingested LSD, but here’s where it gets tricky. As I’m sure most of you already know that when you take any quantity of LSD you will have effects for 8-12 hours, but what you may not know is Albert Hofmann’s recount of his experience on April 16. This is Albert Hofmann talking about his experience on April 16, „I perceived an uninterrupted stream of fantastic pictures, extraordinary shapes with intense, kaleidoscopic play of colors. After some TWO HOURS (emphasis added) this condition faded away.“ (Hofmann, 1983). In Hofmann’s eyes he had „absorbed“ a microscopic amount of LSD through his fingertips. There is one major problem with this though because never once have I or anyone that I know, in the history of taking LSD, ever tripped for TWO HOURS. Even a threshold dose of 25 micrograms makes you trip longer than 2 hours.“

Weiterhin sagt er an anderer Stelle:

„Ich habe in meinem Labor schon oft LSD zu Forschungszwecken hergestellt, vielleicht nicht so akribisch wie Albert Hofmann. Es ist nie etwas passiert. Ich hatte mehrere Doktoranden, die LSD als Zwischenprodukt für Projekte hergestellt haben. Es kam nie zu einer versehentlichen Einnahme von LSD. Ein Techniker in meinem Labor stellt es routinemäßig her, weil wir es als Droge verwenden, um unsere Ratten zu trainieren. Er hat aus Erfahrung gelernt, dass er nie high wird, dass nie etwas passiert. Und gestern sprach ich mit Nick Sand, und Nick sagte: „Ich habe eine Lösung von LSD in DMSO gemacht…“ DMSO (Dimethylsulfoxid) ist eine Chemikalie, die die Absorption anderer Chemikalien durch die Haut stark erhöht – er sagt: „…ich habe es auf meine Haut gestrichen. Nichts passierte.“ Eine konzentrierte Lösung und nichts passierte! Wie hat dieser sehr akribische Schweizer Chemiker das LSD in seinen Körper bekommen? Ich weiß es nicht. “ Der andere Punkt, über den wir nachdenken müssen, ist, dass Albert als Kind eine, wie er es nennt, spontane mystische Erfahrung hatte. Nun, je nachdem, ob man Psychologe oder Psychiater oder was auch immer ist, könnte man sagen, dass Albert eine Veranlagung zu veränderten Bewusstseinszuständen hatte.“

„I’ve made LSD in my lab on many occasions for research purposes, possibly in not so meticulous a manner as Albert Hofmann. Nothing ever happened. I had several graduate students who made LSD as an intermediate for projects. No accidental ingestion of LSD ever occurred. A technician in my lab makes it routinely because we use it as a drug to train our rats. He’s learned by experience that he never gets high, nothing ever happens. And yesterday I was talking to Nick Sand, and Nick said, „I made a solution of LSD in DMSO…“ DMSO (dimethyl sulfoxide) is a chemical that greatly enhances absorption of other chemicals through the skin — he says, „…I painted it on my skin. Nothing happened.“ A concentrated solution and nothing happened! How did this very meticulous Swiss chemist get the LSD into his body? I don’t know. “ The other point we need to think about is that when Albert was a child, he had what he called a spontaneous mystical experience. Now depending on whether you’re a psychologist or a psychiatrist or whatever, we could say that Albert had a predisposition to altered states of consciousness.“

Der in den 60ern und 70ern Jahren bekannte Tim Scully, der im Untergrund LSD herstellte und damit alle bisher bekannten Qualitätsstandards übertrumpfte, wird in einem Interview, welches er mit dem Chemiker Donnie Shackelford führte, wie folgt in seinem bisher unveröffentlichem Buch zitiert:

„Tim Scully sagte: „Haben Sie jemals im Labor eine Dosis durch die Haut abbekommen“. Donnie Shackelford antwortete: „Nein, ich habe mich versehentlich dosiert, während ich auf dem Bett lag, ich habe entweder mein Auge oder meinen Mund berührt. Aber die Antwort auf Ihre Frage ist nein, man kann nicht durch die Haut dosiert werden. Ich habe bei keinem Verfahren Handschuhe getragen, es sei denn, es wird Lauge verwendet, und das ist bei diesem Verfahren nicht der Fall. Ich habe es auf die harte Tour gelernt, als ich ein Fläschchen mit 20 g LSD darin fallen ließ. Ich war extrem aufgebracht. Ich hatte es viele, viele Male an meinen Händen. Ich war dabei, als Dr. Nichols den guten Doktor bei Mindstates 60-jährigem Jubiläum im Grunde genommen verarscht hat.“

„Tim Scully said, „Did you ever get dosed through your skin in the lab“. Donnie Shackelford replied, „No, I have accidentally dosed myself while laying sheets, I either touched my eye, or mouth. But the answer to your question is no, you cannot be dosed through the skin. I never wore gloves in any procedure unless lye is used and it isn’t in this procedure. I learned the hard way dropping a flask with 20g of LSD in it. I was extremely upset. I’ve had it all over my hands many, many times. I was there when Dr. Nichols basically called bullshit on the good doctor at Mindstates 60th anniversary.“

Was Dr. Dave Nichols, Tim Scully, Donnie Shackelford und viele andere damit sagen wollen ist, dass Albert Hoffmann an jenem schicksalshaften 16. April 1943 gar kein LSD über seine Haut aufnahm. Während manche der Meinung sind, dass er eine spontane, sogenannte „Mystical Experience“ hatte (mehr dazu hier und hier), glauben andere, dass er einfach ein Opfer von Placebo war.  Dazu gibt es eine schöne Anekdote, von der starken Kraft von Placebos:

„Im Winter 1944 befand sich die USS Pope, eine 1.200-Tonnen-Zerstörer-Eskorte, etwa 1.000 Meilen von der Küste Englands entfernt. Sie hatte gerade ein laufendes Gefecht mit deutschen U-Booten vor den Azoren beendet, einen der entscheidenden Seekonflikte des Zweiten Weltkriegs. An Bord versuchte ein junger US-Marine namens Alexander Shulgin, sich beim Pokerspiel zu entspannen, aber als er die Karten mischte, schmerzte sein linker Daumen stark. Er war schwer infiziert und musste operiert werden, aber es gab keine Möglichkeit, ihn auf See zu operieren. Shulgins Schiff legte in Liverpool an, und er wurde für die Operation in ein nahe gelegenes Armeekrankenhaus gebracht. Dort reichte ihm eine Krankenschwester ein Glas Orangensaft, und als er trank, bemerkte er ein paar ungelöste Pulverkörner auf dem Boden des Glases. Er nahm an, dass es sich um die Reste eines Beruhigungsmittels handelte, und trotz seiner besten Bemühungen, wach zu bleiben, fiel er in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Als er erwachte, stellte Shulgin fest, dass er sich geirrt hatte: Das Glas hatte nur Saft und Zucker enthalten, und sein Zusammenbruch war ausschließlich auf den Placebo-Effekt zurückzuführen. Erst nachdem er bereits ohnmächtig war, hatten die Ärzte ihm ein Narkosemittel verabreicht und die Operation durchgeführt. Die Vorstellung, dass sein Gehirn ihn ausgetrickst hatte, war für den jungen Marinesoldaten eine Offenbarung: Wenn ein Placebo eine so dramatische Wirkung haben konnte, schienen die Möglichkeiten für Wirkstoffe grenzenlos. Plötzlich fasziniert von der Schnittstelle zwischen dem Geist und der molekularen Materie, kehrte Shulgin in die USA zurück und begann eine Karriere in der Psychopharmakologie. Es war eine Odyssee, die das Leben von Millionen Menschen verändern sollte.“

„In the Winter of 1944, the USS Pope, a 1,200-ton destroyer escort, was about 1,000 miles from the coast of England. It had recently finished a running battle with German U-boats off the Azores, one of the critical naval conflicts of the Second World War. On board, a young U.S. marine named Alexander Shulgin tried to relax by playing poker, but as he shuffled the cards, his left thumb ached intensely. It was badly infected and needed surgery, but there was no way to operate while at sea. Shulgin’s ship docked at Liverpool, and he was transferred to a nearby army hospital for the operation. There, a nurse handed him a glass of orange juice, and as he drank he noticed a few undissolved grains of powder at the bottom of the glass. He assumed they were the remains of a sedative, and despite his best efforts to stay awake, he fell deeply unconscious. When he awoke, Shulgin discovered he was wrong: the glass had contained only juice and sugar, and his collapse was caused entirely by the placebo effect. It was only after he’d already passed out that the doctors had administered an anesthetic and conducted the operation. The idea that his brain had fooled him was a revelation to the young marine: if a placebo could have such a dramatic effect, the possibilities for active drugs seemed boundless. Suddenly fascinated by the interface between the mind and molecular matter, Shulgin returned to the U.S. and embarked on a career in psychopharmacology. It was an odyssey that would change the lives of millions.“

Was persönlich für mich für diese Theorie spricht:

  • Hofmann sagt in seinem Buch, dass er prädisponiert ist für eben jene „mystische Erfahrungen“.
  • Hofmann sagt er habe LSD über seine Fingerspitzen aufgenommen. Es wäre nicht unwahrscheinlich, dass er mit diesen Kontakt zu seinen Augen, Nase oder seinem Mund gehabt hat. Das würde aber die ungewöhnlich kurze Zeit des Trips von zwei Stunden nicht erklären, die seitdem nicht wieder beobachtet werden konnte.

Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die dafür sprechen

Wieso ist das alles überhaupt so wichtig? Wen interessiert es denn so genau, was an dem Tag passiert ist? Weil seit diesem Tag kein einziger Mensch einen transdermal  ausgelößten LSD-Trip hatte! Alle, die das Gerücht verbreiten, LSD lasse sich über bloßen Hautkontakt absorbieren, beziehen sich entweder auf dieses Event (beschrieben in seinem Buch*) oder haben es von Freunden aufgeschnappt. Wahrscheinlich für mich, ist dass er sich vermutlich falsch erinnert, oder im Nachinhein die Entdeckungsgeschichte absichtlich ändert, aus den verschiedensten Motiven. Er könnte es so umschrieben haben, dass er die erste Dosis LSD versehentlich aufnahm, anstatt direkt eine unbekannte Substanz runterzuschlucken oder anderweitig aufzunehmen (viele vergessen ja auch, dass das damals nicht auf einer Pappe geschah). Aber das ist alles wie gesagt nur Spekulation. Was zählt, ist dass es keine wissenschaftlichen Studien gibt, die belegen, dass LSD über die Haut aufgenommen werden kann.

Oft wird dabei die Schleimhaut mit dem äußeren Organ, also schlichtweg der Haut, verwechselt. Leute, die berichten, sie haben erfolgreich LSD über die Nase, Augen oder selbst rektal eingeführt haben auch nicht gelogen.

Fazit

Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass man wohl nie herausfinden wird, wie Hofmann an jenem Tag LSD zu sich nahm. Was man aber sagen kann ist, dass LSD keinen Trip auslöst, sollte man einen Blotter mit den Händen anfassen oder sonst mit der Haut berühren.

Beitragsbild: © Psychonaught / LSD Löschpapier / public domain

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